German Steampunk Books: Leseprobe Agnosia

Im Rahmen der Aktion „Steampunk Hands Around The World“ stelle ich Euch in diesem STEAMPUNK-Monat u.a. deutsche Steampunk-Bücher, -Projekte und -Autoren vor.

SPHATW

Heute – exklusiv im STEAMPUNK-MONAT: Die Leseprobe aus dem ersten Kapitel des „Steamcowboy“ der Serie Agnosia

Agnosia - STEAMPUNK-Serie

Agnosia – STEAMPUNK-Serie

Die Autoren Chris SchlichtLucas Edel, und Carsten Steenbergen präsentieren:

Die Maschinenlauscher

Kapitel 1

Agnosia: Steamcowboy

Agnosia: Steamcowboy

»Hörst du schon etwas?« Nicodemus Giffords raue Stimme hallte von den schwarzen Kellerwänden wieder.
Sein langes weißes Haar war am Kopf zu einem Dutt geknotet und sein Bart in ein rotes Halstuch gewickelt. Auf seiner Stirn glänzte eine Schweißerbrille.
»Nein, Vater. Du musst wohl raus. Tut mir leid«, kam die Antwort von Jeffersyn Gifford. Er beobachtet den Nebel im mannshohen Glaskolben. Das Gas waberte und rotierte bedrohlich vor sich hin, wie eine Wolke kurz vor einem Unwetter. Es glühte in einem unwirklichen Grün.
Nicodemus knurrte. Er sah seinen Sohn an den Elektroden hantieren, die die Elektrizität in den Kolben leiten sollten. Er setzte seine Brille auf und winkte ihm zu.
Jeffersyn streckte ihm den Zeigefinger entgegen, deutete nach draußen und kletterte auf einen Holzthron, der zwischen zwei Schalltrichtern stand, die so groß waren wie Mühlräder. Er zog ein Taschentuch aus dem Hosensack und verband sich damit die Augen. Seine flache, scharf geschliffene Nase sah nun unnatürlich deplatziert aus in seinem Gesicht.
Nicodemus stellte sich mit dem Rücken an die Kellerwand und legte einen Hebel um. Es krachte, als sich die Plattform an einem langen Stahlarm samt dazugehöriger Wand vom übrigen Keller löste und in die Nacht ratterte.
Unter seinen Füßen erkannte er das bleigraue Wasser des Malaar-Meeres durch die Gitter. Welle um Welle schlug mit dumpfen Wogen an die stählernen Schiffswände, auf denen die Stadt Agnosia ruhte. Es klang, als würde ein ungebetener Gast zu nächtlicher Stunde ans Tor klopfen.
Der Wind pfiff dem alten Ingenieur um die Ohren. Grimmig biss er in das rote Halstuch und zog es über seine Lippen.
Vorsichtig tastete er nach zwei Sicherheitsgurten, schlüpfte mit den Schultern hinein und verschloss das Geschirr vor seiner Brust mit einem Karabiner. Aus der Brusttasche seiner Lederweste zog er einen Phosphorknaller. Er entzündete ihn und warf ihn zurück in den Keller. Es blitzte grell und Nicodemus begann zu zählen.
»Drei.«
Mit dem rechten Fuß hob er einen Hebel an. Die Kellerwand hinter ihm wurde vom Wind weggezogen und segelte wie ein Drache in den schwarzen Himmel. Das Stahltau an dem sie hing, entrollte sich mit lautem Quietschen unter seinen Füßen. Ungeschützt stand er auf der Plattform. Die Böen ließen ihn schwanken.
»Zwei.«
Er drehte sich um und postierte sich vor einer Holzkonsole mit Messinggriffen und einem Steuerrad. Drei lose Karabiner seines Brustgeschirrs fixierte er jeweils an den Seiten des Tischchens.
Der Wind spielte mit der Kellerwand am Himmel und ließ sie nach rechts und links schwingen. Das Stahltau hielt die Wand, so gut sie konnte. Wie ein Kinderdrache tanzte die umfunktionierte Wand zwischen den Wolken. Nicodemus steuerte sie so präzise, wie es die Kraft seiner Arme zuließ.
»Eins«, brüllte er in den aufkommenden Sturm.
Am Himmel machten sich erste Blitze bemerkbar. Konzentriert steuerte Nicodemus den Drachen in ihre Richtung. Vorsichtig züngelten die ersten Entladungen am Rand des Metalldrachen entlang, stießen ihn aber wieder fort.
»Komm schon. Zeig mir wie stark du bist«, rief er.
Erneut näherte er den Drachen der Wolke an. Die Blitze waren abgeflaut. Nicodemus hielt den linken Hebel mit eiserenem Griff und drehte am Steuerrad, als plötzlich mit einem gewaltigen Krachen, ein Blitz in die Metallwand einschlug.
»Null!«, brüllte er über seine Schulter, wohl wissend, dass ihn sein Sohn nicht hören konnte. Immer wieder brüllte er: »Nuuuull, nuuull, nuuuull, Jeff verdammt, nuuuuull.«
Die Entladung kroch die Stahltrosse entlang aus dem Himmel herab. Das grelle Licht zischte knisternd zwischen seinen Beinen hindurch, hinein in den Keller. Er sah nach oben. Weit über ihm an der Reling der „Hephaistos“, in deren Leib sie ihr Labor betrieben, hatten sich ein paar Schaulustige versammelt die mit Fingern auf den Drachen zeigten und mit den Händen ihre Hüte hielten.
Nicodemus fluchte. Er drehte sich wieder um, beugte sich nach vorne und begann die Wand mit einer Seilwinde einzuholen.
Der Schweiß lief ihm über die Stirn und in den Nacken, während er keuchend kurbelte.
Als die Wand wieder an ihrem Platz war, konnte er es kaum erwarten, bis sich die Plattform wieder ins Innere des Kellers bewegt und der Metalldrache das Loch in der Außenwand Agnosias verschloss. Sein Herz klopfte ihm im Hals.
Er löste sich aus dem Geschirr und hastete durch den Keller zu Jeffersyn. »Was für ein Stromschlag. Hast du was gehört?«
Sein Sohn saß auf dem Thron zwischen den beiden Schalltrichtern. Seine Arme ruhten auf den Lehnen. Nicodemus konnte sehen, wie seine Fingernägel tiefe Furchen in das Holz geschabt hatten.
Jeffersyn schluckte. Dann sagte er: »Nichts.«
Nicodemus riss die Schweißerbrille von den Augen und schleuderte sie in ein Regal mit sorgfältig sortierten Zahnrädern, die in alle Richtungen ins Dunkel davon hüpften.
»Das ist unmöglich. Die Berechnungen stimmen, verdammt …« Er verstummte.
Jeffersyn nahm die Augenbinde ab. Er sah ins Gesicht seines Vaters, dessen Augen vom Schreck geweitet an die Kellerdecke blickten.
Er drehte sich in seinem Holzthron um und kniete sich auf die Sitzfläche. »Bei den Göttern … sind sie das?«
Das aufgeladene Gas warf grelles Licht an die Decke. Zwischen den Schlieren tauchte eine geisterhafte Fratze auf. Die dunkeln Schatten zweier Augenhöhlen bewegten sich langsam durch die Rotation des Gases.
»Ist das ein Artefakt?«, fragte Jeffersyn leise.
Nicodemus wollte gerade mit den Schultern zucken, als das Augenpaar unvermittelt still stand und die beiden Männer fixierte. Mit einem grauenvollen Kreischen löste es sie sich auf und das Leuchten des Gases erstarb im Kolben.
Jeffersyn kroch vom Thron. Seine zitternden Finger suchten auf der Werkbank nach einem Streichholz. Er entzündete es und entfachte eine Gaslaterne.
»Du sagtest, man kann sie nur hören«, fuhr er seinen Vater an.
»Ach komm schon. Das kann alles Mögliche gewesen sein«, antwortet Nicodemus.
Jeffersyn nahm die Laterne und drehte sich um. Im Schein des sanften Lichtes waren nur mehr die Gesichter der Männer zu sehen.
»Seit ich ein Kind war, hast du mir von ihnen erzählt. Im Sturm kann man sie hören, sagtest du, in mondlosen Nächten, wenn man das Ohr auf die Planken des großen Anlegers presst, sagtest du … aber niemals …«, Jeffersyn packte seinen Vater am Kragen, » … niemals könnte man sie sehen.«
Er atmete schwer.
Nicodemus lächelte ihn an. »Ändert das was?«
»Ob das was ändert? Das ändert einfach alles. Es ist eine Sache ob wir sie belauschen, aber eine ganze andere wenn wir sie beobachten.«
»Ach was.« Nicodemus versuchte sich aus dem Griff seines Sohnes zu befreien.
»Begreifst du nicht? Sie haben nun auch uns gesehen. Sie wissen, dass wir hinter ihnen her sind.«
Jeffersyn stieß seinen Vater wütend zur Seite und stapfte die Treppe zum nächsten Deck hinauf.
»Das war doch ohnehin der Plan. Phase III, wenn ich mich recht entsinne«, rief ihm Nicodemus nach.
Jeffersyn drehte sich auf den Stufen halb zu ihm um. Mit dem Zeigefinger deutete er auf den Glaskolben.
»Phase III sollten wir frühestens in fünf Jahren erreichen. Wir sind in keiner Weise vorbereitet auf das da. Wir werden Ulysses brauchen.« Er stieg weiter die Stufen hinauf.
Nicodemus riss sich das Halstuch vom Mund. Er pfiff durch die Zähne und sprintete los.
Jeffersyn öffnete die Kellertür und trat ins Esszimmer.
Der sauber gepflegte Esstisch mit gehäkeltem Tischdeckchen stand auf einem dicken orientalischen Teppich. An den Schiffswänden hingen Öllampen, die den Raum in ein warmes Licht tauchten.
Nicodemus packte Jeffersyn am Handgelenk.
»Du willst Ulysses zurückholen?« In seiner Stimme schwang Überraschung und Hoffnung.
Aus der Küche trat Beatrice. Sie wischte die Hände an ihrer Küchenschürze ab. Ihr blondes Haar hing in einem langen Zopf über ihre linke Schulter. Ihr blaues Samtkleid, war mit großen weißen Rosen bestickt. Sie roch nach frischem Apfelkuchen.
»Was ist mit unserem Sohn?«
Jeffersyn sah ihr in die Augen. Er riss sich von Nicodemus los, schälte seine Hände aus den braunen Lederfingerlingen, nahm ihr Gesicht und küsste sie auf die Stirn.
»Es ist soweit, ich muss gehen.«
Beatrice sah ihn verängstigt an.
»Jetzt schon?«
»Schnür mir ein Paket mit Wurst, Brot und leg eine Flasche Wein dazu.«
Er sah seinem Vater noch einmal von oben bis unten an.
»Schreib ihm, dass die Olympiade bald beginnt. Er wird teilnehmen. Dann haben wir ihn in der Stadt und wir verlieren nicht unser Gesicht.«
Nicodemus streckte seinen Rücken durch. Seine Halswirbel knackten.
»Feigling«, flüsterte er.
Jeffersyn zuckte mit den Schultern und verließ das Esszimmer. Beatrice und Nicodemus hörten, wie er ein Deck höher stieg und im Schlafzimmer die Kleidertruhe öffnete.
»Was habt ihr beide da unten getrieben? Es hörte sich an, als wolltet ihr alle Schotts von hier bis Bug 18 aufreißen.«
Nicodemus legte seine Hände auf ihre Schultern und drückte sie. »Alles verläuft nach Plan. Dein Mann hat ein bisschen Angst bekommen, weil es schneller geht als erwartet. Alles wird gut.«
»Sollen wir Anna sagen, dass Ulysses wieder nach Hause kommt?«
Nicodemus grinste.
»Die kleine Anna Jouwa wird mit der Überraschung schon umgehen können, keine Sorge. Diese alten Seenomanden-Mädchen sind zäh.«
Er nahm seine Hände von seiner Schwiegertochter. Zwei schwarze Rußflecken in Form seiner Finger blieben am Stoff zurück. Beatrice verzog den Mund.
»Oh, tut mir leid. Kleines Andenken an den netten Abend«, grinste er verschmitzt.
Er tippte sich mit den Knöcheln an die Stirn, wie ein Maat und stapfte zum Hausschott.
»Wo willst du denn bitte nun mitten in der Nacht noch hin in diesem Aufzug?«, fragte Beatrice, während sie mit dem feuchten Geschirrtuch vorsichtig den Ruß wegtupfte.
Nicodemus nahm seinen Pelzmantel vom Haken und schlüpfte hinein. Er löste seinen Dutt und ließ das wallende Haar über den Pelzkragen fallen, indem er den Kopf hin und her schüttelte. Sein rotes Taschentuch knüpfte er ab und steckte es in die Hosentache. Sein schneeweißer Vollbart leuchtete ehrfurchtgebietend vor dem grauschwarzen Metall des Hausschotts.
»Ich denke es ist Zeit für ein kleines Liebesmanöver mit Lady Syrena Nova.«

Morgen geht es weiter mit den Interviews der Autoren von „Agnosia: Steamcowboy“

Zu finden sein wird die Serie übrigens im Netz unter agnosia-serie.com oder auf facebook. Dort wird es alle Neuigkeiten über die neuen Bände und die weiteren Abenteuer geben.

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5 Antworten zu German Steampunk Books: Leseprobe Agnosia

  1. Pingback: German Steampunk Books - Agnosia | Andreas Dresen

  2. Lucas Edel sagt:

    Liebe LeserInnen, hi Andi!

    Schön das es heute noch geklappt hat mit der Leseprobe! Gute Idee sie am Abend zu präsentieren, wenn die Leser ein bisschen zur Ruhe gekommen sind vom Tagesgeschäft.

    Ich wünsche ein paar spannende Momente und alle Daumen hoch für die super Aktion!

    Alles Liebe, Luc

  3. Floh sagt:

    Steampunk lerne ich erst jetzt in letzter Zeit richtig kennen. Habe bereits einen super Steampunk gelesen, auch diese Leseprobe klingt vielsagend!
    …auf mehr!

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  5. Nicole sagt:

    Für mich ist Steampunk auch noch recht neu. Sehr spannende und viel versprechende Leseprobe!!!

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